700km in 7 Tagen von Calw nach Berlin

Bereits im Frühjahr 2023 plante ich für den Sommer 2023 mal etwas ganz Anderes während meines Urlaubs zu machen. Mit dem Fahrrad, ganz old school nur mit Muskelkraft, sollte es von Calw nach Berlin gehen. Weil der Hund auch mit musste, war ein Anhänger obligatorisch, in den ich mein ganzes Zeug samt Hund hineinpacken konnte. Zur Navigation sollte mein P30 Pro verwendet werden, welches via angeschafften „Lumi-Con Bike Harvester USB-P5C – USB-C“ während der Fahrt geladen werden sollte. Als Essensvorrat schaffte ich mir Sven Jack HAFERFLOCKENRIEGEL in verschiedenen Geschmacksrichtungen an. Zum Nächtigen sollte mein altes, aber noch gutes 2-Mann-Zelt verwendet werden. In jedem Fall wollte ich so unabhängig wie möglich sein.

Die Planung der optimalen Route war nicht ganz trivial, da ich eine kurze Strecke bevorzugte, die nicht übermäßig große Steigungen hatte, da der Anhänger mit ca. 35kg Last an jeder Steigung mich die Gravitationskräfte ordentlich spüren ließ. Deutlich mehr als ohne Anhänger. Außerdem sollten Schotter bzw. unbefestigte Wege auch gemieden werden. Ideal war Asphalt. Nach etlichen Versuchen und probieren mit verschiedenen Profilen entschied ich mich für diese Route:

Mit recht gemischten Gefühlen rückte der geplante Abfahrttermin, der 30.08., immer näher und so startete ich tatsächlich am Mittwochmorgen gegen 07:30 mit meinem Gefährt.

Der Smartphone Akku war voll, die Dynamo betriebene Powerbox funktionierte bis dato einwandfrei und so fuhr ich motiviert bei bestem Radwetter bis Mittelschefflenz, nahe Osterburken, wo ich unter einer Überdachung auf dem Sportplatzgelände meine erste Nacht verbrachte. Blöderweise ging dann auch irgendwann die Lumi-Con Box nicht direkt kaputt, aber das Smartphone signalisierte irgendwann ständig laden/nicht laden und der Akku ließ merklich an Kapazität nach. So musste ich also improvisieren und verwendete das Smartphone nur noch sporadisch als Karte und musste lediglich dem zum Glück ständig geladenen Track (rote Linie) folgen und nur hin und wieder das Smartphone kurz einschalten, um zu prüfen, ob ich noch richtig unterwegs bin. Das Smartphone habe ich immer dann geladen, wenn Gelegenheit dazu war. Das war beim Bäcker, Abends im Biergarten beim kühlen Radler oder an einer funktionierenden Steckdose am Sportplatz. So navigieren hielt der Akku dann auch locker einen ganzen Tag lang, mit einem Verbrauch von ca. 60% bei ca. 10h Nutzung. Wasser zum Trinken oder Waschen gab es i.d.R. beim Friedhof.

Der 2te Tag brachte mich bis Schweinfurt. Spätestens jetzt, nach ca. 240 km, musste ich den deutlich Sattel tiefer stellen, da mein rechtes Fußgelenk im Bereich der Achillessehne schmerzte und ich den Fuß nun entlasten musste, in dem die Pedale nun nicht mehr mit dem Vorderfuß, sondern eher mittig vom Schuh bedient wird. So ging es immerhin. Leider stellte sich ab ca. 2 Uhr morgens stärkerer Regen ein und als es anfing gegen 05:30Uhr doch etwas hereinzutropfen, packte ich kurzentschlossen gegen 06:00Uhr alles zusammen und fuhr bei Regenwetter an Rad-Tag 3 bis ca. 16:00 bis nach Hinternah, wo ich eine ideale Unterkunft unter einer großen Überdachung am Sportplatz mit funktionierender Steckdose vorfinden durfte. Ab ca. 17:00 bis Mitternacht regnete es sehr stark unentwegt. Ohne die Überdachung wäre ich und alle meine Sachen durch und durch nass gewesen. Zum Glück aber änderte sich das Wetter am nächsten Rad-Tag 4 zu meinen Gunsten und trocken konnte ich bereits gegen 09:00 den Rennsteig passieren sowie den für mich schönsten Streckenabschnitt ab Ilmenau durchs Ilmtal tendenziell immer bergab durch den Thüringer Wald genießen, der mich bis Wickerstedt, kurz nach Apolda brachte.

Nach einer ruhigen und trockenen Nacht ging es an Tag 5 unspektakulär über Naumburg an der Saale bis nach Bitterfeld. Von da an bis Buchholz am Rad-Tag 6, um an Tag 7 an meinem Reiseziel in Strausberg anzukommen. Bis zuletzt hatte ich an beiden Oberschenkeln ordentlich Muskelkater.

Fazit meiner Reise: ca. 100km/Tag sind zu viel, mit Anhänger und purer Muskelkraft, will man auch was anderes außer Radfahren sehen oder erleben. Außerdem könnte es sein, dass vor allem Ungeübte bei so einer Strecke mit „Motorschaden“ in Beinen oder Po liegen bleiben. Auch ich bin sozusagen konditionell völlig unvorbereitet, einfach losgefahren und hatte meine Probleme, die mich aber zum Glück nicht am Weiterfahren hinderten. Besser tendenziell mit höherer Trittfrequenz fahren, als zu versuchen, mit Kraft voranzukommen. Gerade im Osten ab Thüringen gibt es kaum noch Wirtschaften in kleineren Orten, die ich passierte, die geöffnet haben und bei denen man etwas essen oder gar nächtigen könnte. Einen Smartphone-Lader braucht’s nicht unbedingt, wenn man so wie ich nur hin und wieder nach der Route nachschauen muss. Der Hund hat es gut im Anhänger gehabt und war gut gepolstert untergebracht. Zu keiner Zeit hat er sich unwohl gefühlt. Alle 2-3h wollte/durfte er auch raus zum selber laufen. Die freundlichsten Menschen erlebte ich in Thüringen, die nicht so freundlichen in Berlin und Brandenburg. „Wildes“ Übernachten mit Zelt für eine Nacht ist überhaupt kein Problem. Durch meine Energieriegel hatte ich nur ca. 100€ an Essenskosten für die 7 Tage benötigt, die zumeist beim Bäcker für Kaffee und belegte Brötchen ausgegeben wurden. Andere Kosten gab es nicht. Die Technik an Rad und Hänger hielt einwandfrei. Lediglich die Kette wollte auf halber Strecke wieder etwas Öl. Mit dem Anhänger sollten unbefestigte, vor allem Wege mit groben Splitt, unbedingt vermieden werden, da die Roll-Reibungsverluste der 4 Räder enorm sind. Bis auf einen kleineren Zwischenfall, bei dem mich eine Oma in der Ortschaft mit überhöhter Geschwindigkeit unbedingt noch mit ca. 20 cm Sicherheitsabstand überholen musste (ich konnte die Uneinsichtige wenig später noch stellen, was aber ein hoffnungsloser Fall zu sein schien), habe ich nur nette Menschen getroffen. Ich würde es jederzeit so wieder machen.